Mit lautem scheppern zerbarst der Weinkrug an der Wand. „RAUS!“ Ruth hatte sich zwar rechtzeitig geduckt, hatte sich jedoch nicht vor einige Spritzern Weins schützen können, welche ihr jetzt in Tropfen die Wange herunterliefen. „Vater…ich bitte Euch….“ Ihre Stimme zitterte und war kaum lauter als ein Flüstern. „Das ist ungeheuerlich, ein Affront! Wie kann dieser Fremdling es wagen eine Verbindung mit meinem Hause auszuschlagen?!“ „Vater…bitte…“ „Ach sei bloß still wärst du etwas weniger ein Mauerblümchen, hätten wir dich längst unter die Haube bringen können.“ Schuldbewusst, mit hängenden Kopf, drückte sich die Tochter des Grafen durch die Tür und zog sie hinter sich zu.
„Ludwig!!“ Hinter dem schweren Eichenthron des Grafen wuchs, wie aus dem Boden ein Mann in einer abgetragenen dunklen Robe hervor. Seine Finger waren Tintenverschmiert, welche seine weiße kränkliche Haut noch deutlicher unter den schweren Stoffärmeln betonten. „Meister! Wie darf ich dienlich sein?“ Graf Hesekiel von Schauerstein winkte mit der linken Hand ab und deutete Platz zu nehmen. „Es gibt Arbeit. Eine Anweisung an alle Kontore, eine Nachricht an die Boventin und ich habe Befehle für die Grenzwache!“
Ludwig der erste Adlatus des Grafen kramte eilige in seinem Ärmel, beförderte ein leeres Pergament samt Feder und Tinte hervor und kauerte sich an dem ihn angewiesenen Platz. Mit kratzenden Strichen flog die Feder während der Graf seine Korrespondenz diktierte.
William von Galgenberg ritt gemessenen Schrittes, leicht mit der Bewegung des Pferdes mitgehend die Straße entlang. Dicht gefolgt von seinem ehemaligen Knappen Dankwart sowie seinem Vogt Mattis von Heyden. Die drei Edelleute boten einen durchaus erhabenen Eindruck, während sie an diesem schönen herbstlichen Tage so dahinritten. Es hätte nur noch gefehlt, das einer aus der illustren Gruppe ein Liedchen auf der Laute gespielt oder eine Melodie gepfiffen hätte. Dann hätte man glauben können die drei wären aus einem farbenfrohen Gemälde geritten.
Die Mark Siefentrutz hatten sie bereits am Morgen hinter sich gelassen und den Grenzturm samt eines älteren Soldaten, der dort seinen Dienst versah, passiert. Die Mark Welden, präsentierte sich ihrem Ruf entsprechend. Seit dem Morgen stieg die steinige Reichstraße stetig an und der aufmerksame Beobachter konnte erkennen, wie sich allmählich die Landschaft veränderte und steiniger wurde.
Die massive Steinbrücke war bereits aus einige Entfernung gut zu erkennen gewesen, während sich die kleine Reitergruppe nähere. Auch das besetzte Zollhaus welches die Fahne des Lehen Schauerstein gehisst hatte, verhieß eine Unterbrechung der Anreise zur Feste Schauerstein.
Vier Soldaten in ihren grün-gelben Wappenröcken traten aus dem Zollhäuschen und versperrten die Brücke. Ein jeder hielt eine Hellebarde in der Hand, welche sie jedoch vorerst nur als Stütze nutzten. Ihr Auftreten und Haltung machte deutlich, dass ihnen diese Aufstellung befohlen wurde, weniger dass sie sich in eine gute Kampfposition bringen wollten. Als letzter trat ein fünfter Mann, der Hauptmann vor die Soldaten, warf kurz einen prüfenden Blick auf seine Männer und wandte sich den entgegenkommenden Rittern zu. Mit einem freundlichen aber bestimmten Gesichtsausdruck eines Mannes, der einem legitimen Auftrag nachging, hob er die Hand und forderte die Näherkommenden zum Anhalten auf.
„Auf Geheiß meines Lehnsherren, muss ich Euch abweisen. Mein Herr bedauert Euch nicht empfangen zu können, bietet Euch jedoch Unterkunft und Verpflegung im nächsten Gasthaus an. So wie es Ordonssitte und Recht des Gastgebers ist.“
Verdutzt ob der Worte und nach einer kurzen Unterredung drehte das Reitertrio die Gäule und trat den Rückweg an. Sie wussten, dass das einzige Gasthaus am Wege, das sie irgendwann gegen Mittag passiert hatten, das einzige auf der Strecke war. Ebenen so wie die Tatsache, dass sie sicherlich erst spät in der Nacht dort ankommen würden. Zu allem Überfluss begann in diesem Augenblick auch noch zu nieseln…